Ein Thema, das bewegt - Am 18. September luden die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege in Sachsen (Liga) zu einem Fachtag der Wohnungsnotfallhilfe ein. Die Resonanz der Einrichtungen aus ganz Sachsen war hoch: Rund 100 Gäste zählte die Veranstaltung im Berufsförderungswerk Dresden.

Der stellvertretende Vorsitzende der Liga Sachsen, Michael Richter, machte die Zielrichtung der Veranstaltung in seiner Begrüßung bereits deutlich: Es müsse darum gehen, die vielfältigen Problemlagen transparent zu machen und letztendlich eine Verbesserung der Lebensverhältnisse der betroffenen Menschen herbeizuführen.

Die Sozial-Staatssekretärin Regina Kraushaar betonte in ihrem Grußwort die Bedeutung der Wohnungsnotfallhilfe. Der Verlust einer Wohnung läge bei Schicksalsschlägen ganz weit vorn – sie bedankte sich bei allen Stellen, die sich den Menschen in dieser schwierigen Situation annehmen. Sie lobte auch die vergleichsweise gute kommunale Zusammenarbeit im Freistaat, war sich der Verantwortung des Landes auf diesem Feld jedoch vollauf bewusst. So läge es am Freistaat, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass trotz der individuellen und komplexen Ursachen der Wohnungslosigkeit die Betroffenen stets professionell begleitet werden können. Auch die Problematik der statistischen Erfassung von Wohnungslosen nahm sie in den Fokus.

Danach ging es ans Eingemachte. Der Hauptvortrag der Veranstaltung widmete sich dem Thema, wie die Hilfen – insbesondere des §§ 67-69 Zwölftes Sozialgesetzbuch (SGB XII) – in der Praxis tatsächlich dazu beitragen, notleidenden Menschen in der Überwindung ihrer schwierigen Situation zu helfen, wo es derzeit noch Schwierigkeiten in der Umsetzung gibt und wo dringend Verbesserungsbedarf notwendig ist. Prof. Dr. Falk Roscher verlangte den Teilnehmenden in seinem Fachvortrag zu den gesetzlichen Grundlagen einiges ab und tauchte tief in die Komplexität des Themas ein. Das war aber auch notwendig, um die Problematik vollumfänglich darzustellen und dann im zweiten Teil des Vortrags eindrucksvoll darzulegen, warum es so nicht geht. Prof. Roscher erläuterte, warum die Umsetzung des § 67 SGB XII aus seiner Sicht zum Teil gesetzeswidrig sei und stellte auch ein weiteres grundlegendes Problem heraus:: Allein die Formulare zur Antragsstellung setzen eine Handlungsfähigkeit der Hilfesuchenden voraus, die diese oftmals nicht besitzen. Und selbst wenn ein umfangreiches Verfahren eingeläutet wird, geht dieses derart technokratisch und langwierig, geradezu „kafkaesk“ vor sich, dass dies unvereinbar mit der Bedarfssituation ist und an der Not der Betroffenen vorbeigeht. Prof. Roscher wies in diesem Zusammenhang auch noch einmal auf die sozialanwaltliche Funktion der Wohlfahrtsverbände für Arme und Benachteiligte hin - wie diese allerdings zufriedenstellend ausgeführt werden könne, wenn die Verbände vor allem nach ökonomischen Gesichtspunkten und Effizienz bewertet werden, sei dahingestellt.

Nach diesem intensiven und zum Nachdenken anregenden Fachvortrag ging es nach der Mittagspause in vier thematischen Arbeitsgruppen darum, konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Situation in der Wohnungsnotfallhilfe zu entwickeln. Die Arbeitsgruppen beschäftigten sich mit dem Thema „Familien in Wohnungsnot“, „Leistungsbewilligung ABW § 67 SGB XII“, „Kooperationen mit der Wohnungswirtschaft“ sowie „Rahmenbedingungen zur Sicherung von Wohnraum“. Es kristallisierte sich heraus, dass von allen Beteiligten vor allem eine bessere Vernetzung und Kooperation der handelnden Akteure in der Wohnungsnotfallhilfe untereinander erwünscht ist. Oftmals wüssten die Vertreter*innen der Wohlfahrtsverbände schlicht nicht, welche anderen Ämter schon mit den Betroffenen arbeiten. Weitere Ansätze betrafen z. B. ein einheitliches Handlungskonzept für den Freistaat Sachsen, eine einheitliche Statistik und Sozialberichterstattung sowie das Herstellen einer größeren Öffentlichkeit für das Thema.  

Die Dokumentation zum Fachtag steht hier zum Download bereit.

Ulrike Novy/ AWO Sachsen