Vor zwei Jahren wurde Stanislaw Tillich zum sächsischen Ministerpräsidenten gewählt. Trotz strengem Sparkurs, angeblich voller Kassen und einer Menge Selbstlob ist die sozialpolitische Bilanz keine Erfolgsgeschichte, kritisieren die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege in Sachsen.

Eine schlechte Sozialpolitik haben die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege in Sachsen (Liga) der bisherigen Legislaturperiode der Sächsischen Landesregierung bescheinigt. "Die Familien, die Zukunft unserer Kinder und Jugendlichen sowie die sozial Schwachen finden oft nicht die notwendige Aufmerksamkeit", kritisiert der derzeitige Liga-Vorsitzende, Rüdiger Unger. Die Sozialpolitik der CDU/FDP-Koalition seit 2009 sei besonders durch harte Kürzungsmaßnahmen im sozialen Bereich geprägt gewesen, so Unger. Von zukunftsorientierten Sparmaßnahmen für das Land könne jedoch nicht die Rede sein, da insbesondere die Streichungen im Jugend- und Suchthilfebereich für das Land erhebliche Folgekosten bewirken werden.

Besonderen Handlungsbedarf sehen die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege in der Kinderbetreuung. "Hier hat die Landesregierung bisher nicht die entscheidenden Weichen gestellt", sagt Rüdiger Unger. Die seit Jahren von der Liga geforderte Verbesserung des Personalschlüssels in den sächsischen Kindertagesstätten sei bis heute nicht umgesetzt, obwohl besonders die FDP dies im Wahlkampf 2009 immer wieder versprochen hatte. Ebenso reichte die Zahl der Plätze in den Kindertagesstätten längst nicht aus. "Wir können auch nicht erkennen, dass sich die Zusammenarbeit zwischen Schule, Kita und anderen Einrichtungen der Jugendhilfe wesentlich verbessert hat", kritisiert Unger. Der beabsichtigte Ausbau der Schulsozialarbeit für jede Mittel- und Förderschule sei ebenfalls nicht erfolgt, durch die Kürzung der Jugendpauschale sogar zurückgefahren worden.

Ministerpräsident: Bei Sparmaßnahmen wenig Spielräume im sozialen Bereich

Immerhin hätten Ministerpräsident Tillich und der CDU-Fraktionsvorsitzende Steffen Flath eingeräumt, dass die Sparmaßnahmen "im sozialen Bereich" sehr drastisch ausgefallen seien. Die Mittel in der offenen Jugendarbeit reichten schon jetzt nicht mehr aus. Der Liga-Vorsitzende fordert deshalb von der Landesregierung, die Kürzung der Jugendpauschale zurückzunehmen und auf den Stand vom Herbst 2009 zu bringen. Die offene Jugendarbeit sei nicht nur für eine gute Entwicklung der jungen Menschen unverzichtbar sondern habe auch eine wichtige präventive Funktion im Kampf gegen Rechtsextremismus.

Eine Korrektur fordert die Liga auch bei der Schuldnerberatung. Bei zunehmender Armut im Land sei es erforderlich, dass alle sozialen Träger eine Insolvenzberatung anbieten können. Schuldner- und Insolvenzberatung müsse als eine Einheit betrachtet werden. Die Landesregierung hatte diese Beratungsleistungen getrennt. Im Bildungsbereich sei die UN-Behindertenrechtskonvention und deren Forderung nach "inklusiven Schulen" in Sachsen "noch nicht einmal im Ansatz" verwirklicht, so Rüdiger Unger.

Zudem unterschätze die Landesregierung die Bedeutung der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege als wichtigen Wirtschaftsfaktor in Sachsen, wie eine Studie der Technischen Universität Dresden bereits im Herbst vergangenen Jahres darstellte. Die reine Fokussierung der Landesregierung auf Sachsen als "das Land der Techniker und Ingenieure" sei angesichts des demokrafischen Wandels, des Mangels in der frühkindlichen Bildung und des weiter zurückgehenden Fachkräftepersonals in den sozialen Einrichtungen des Freistaates ein "fataler Irrtum".

Die Liga ist der Zusammenschluss der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Sachsen. Ihre Aufgabe ist es, in den verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Bereichen die Interessen der Schwachen und Benachteiligten in Anwaltsfunktion zu vertreten. Der Liga gehören die Arbeiterwohlfahrt, die Caritas, das Deutsche Rote Kreuz, das Deutsche Rote Kreuz, der PARITÄTISCHE Wohlfahrtsverband und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland an. Anlässlich der vergangenen zweieinhalb Jahre schwarzgelber Koalition in Sachsen zieht die Liga eine sozialpolitische Halbzeitbilanz.

Hinweis: Eine Zusammenfassung der sozialpolitischen Kritikpunkte der Liga finden Sie in dieser Übersicht.