Vom 30. Mai bis 3. Juni 2022 findet die bundesweite Aktionswoche der Schuldnerberatung statt. Unter dem Motto: „… und plötzlich überschuldet“ beteiligen sich auch die 69 Beratungsstellen der freien Wohlfahrtspflege in Sachsen.

Zuerst die gute Nachricht: Die Anzahl der Beratungsstellen hat sich in den letzten Jahren quantitativ nicht verändert. Auch die Anzahl der Beratungsgespräche ist stabil. Trotzdem gibt es ein Warnsignal, welches die Beratenden und Hilfesuchenden umtreibt: Die Wartezeiten für Beratungsgespräche steigen seit Jahren kontinuierlich an, im Extremfall ist ein Folgetermin erst nach neun Monaten zu erhalten. Zwei Effekte sind dafür verantwortlich: Erstens die Beratungsfälle werden immer komplexer und zweitens die Zahl der Hilfesuchenden ist gestiegen, sodass nicht mehr jeder Person zeitnah geholfen werden kann. „Mehr Beratungen sind mit den gegenwärtigen Mitteln einfach nicht möglich. Wie schnell man sich verschulden kann, ist eines der vergessenen sozialen Themen in den Nachrichten und in der Politik,“ so Rüdiger Unger, Vorsitzender der Liga der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Sachsen. „Und wenn wir ganz ehrlich sind, war das Angebot an Schuldnerberatungen unabhängig von Inflation und Pandemie schon seit Jahren nicht ausreichend“, so Unger weiter.

Was sind die zwei Herausforderungen für die Schuldnerberatung in Sachsen:

  1. Komplexe Fälle: Die Fälle werden komplexer und damit für die Mitarbeitenden in den Beratungsstellen zeitintensiver. Oftmals führt nicht mehr nur eine Krise zu der Verschuldungssituation, sondern es verbinden sich zum Beispiel pandemiebedingte Kurzarbeit mit Trennung von der Partnerin oder dem Partner oder mit psychischen Problemen. Wenn dann noch alle Sparmaßnahmen in Anbetracht von Inflation und Verteuerung im Sande verlaufen, werden Schulden zu einem unlösbaren Problem.
  2. Aufgeschobenes Handeln: Pandemiebedingt waren die Behörden, welche für die soziale Grundsicherung verantwortlich sind, wie z.B. Arbeitsagenturen, Wohngeldstellen, Sozialämter usw. in ihrer Erreichbarkeit und Arbeit eingeschränkt. Folglich sehen sich die Schuldnerberatungsstellen aktuell mit Fällen konfrontiert, die viel früher hätten Unterstützung gebraucht. Die notwendigen Beratungen wurden also aufgeschoben, was jetzt zu überlasteten Schuldnerberatungsstellen und langen Wartezeiten für die wichtigen Folgeberatungen führt.

Das Hauptanliegen der Aktionswoche

Jeder kann von einer Überschuldung betroffen sein. Daher ist es erstens wichtig zu wissen, dass es in diesen Fällen kostenlose und unparteiliche Beratungsangebote gibt und zweitens, dass Verschuldung enttabuisiert wird. „Bei einer Inflation von zuletzt 7,4% im Monat April verschärft sich die Situation insofern, dass selbst Menschen in Arbeit nicht mehr in der Lage sind, ihre monatlichen Fixkosten zu begleichen. Darunter leidet auch die physische und psychische Gesundheit der Betroffenen“, so Rüdiger Unger weiter. „Es ist daher wichtig, den Anspruch auf eine kostenlose und unabhängige Schuldnerberatung für jede Bürgerin und jeden Bürger wasserdicht im Sozialgesetzbuch zu sichern. Der Bedarf ist größer als das Angebot, deswegen ist an der finanziellen Untermauerung dieser staatlichen Aufgabe nicht zu rütteln.“

Eine Übersicht der Schuldnerberatungsstellen unter dem Dach der sächsischen Wohlfahrtsverbände finden Sie hier.

Die Aktionswoche Schuldnerberatung wird getragen von der Arbeitsgemeinschaft der Schuldnerberatungen der Verbände. Mehr dazu auf www.agsbv.de.


Zur Liga der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Sachsen gehören der Landesverband der Arbeiterwohlfahrt in Sachsen, der Caritasverband für das Bistum Dresden-Meißen, das Diakonische Werk Sachsen, der Deutsche Rote Kreuz Landesverband Sachsen, der Paritätische Wohlfahrtsverband Sachsen und der Landesverband der jüdischen Gemeinden in Sachsen.

Unter dem Dach der Liga finden sich mehr als die Hälfte aller sozialen Angebote in Sachsen mit mehr als 100.000 Beschäftigten.

Der Liga-Vorsitz wechselt alle zwei Jahre und liegt 2022/23 in der Hand des Deutschen Roten Kreuzes.