Jugendmigrationsdienste und Migrationsberatungsstellen für Erwachsene arbeiten seit langem über der Kapazitätsgrenze

Eine deutliche Verbesserung der personellen Ausstattung in der Migrationsberatung will die Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Sachsen. Insbesondere in Ballungszentren habe sich der Beratungsbedarf von Migranten Sachsen seit 2014 mehr als verdoppelt und sei inhaltlich anspruchsvoller geworden. Das Personal sei hingegen nahezu unverändert geblieben. Anlässlich des bundesweiten Aktionstages der Migrationsfachdienste am 13. September 2016 fordern die Liga-Verbände hier ein dringendes Nachsteuern.

„Die gestiegene Zuwanderung im Jahr 2015 sowie der zügigere Abschluss von Anerkennungsverfahren lassen die Beratungszahlen in allen Fachdiensten steigen“, erklärt Christian Schönfeld, Chef der Diakonie Sachsen und derzeitiger Liga-Vorsitzender. „War im 1. Halbjahr 2014 in den diakonischen Migrationsberatungsstellen ein Mitarbeitender für 285 Beratungen zuständig, stieg diese Zahl auf 533 im 1. Halbjahr 2016. Gerade aber die frühzeitige Beratung von Menschen mit guter Bleibeperspektive erfordert intensive Begleitung beispielsweise zum Familiennachzug oder dem laufenden Asylverfahren.“

Aber auch Fragen zu Arbeit und Wohnen sind sehr präsent - hier haben nach den Worten Schönfelds die Beratungsdienste auf kommunaler Ebene eine wichtige Scharnierfunktion. Zusätzlich werde die Zielgruppe aufgrund einer Änderung der Förderrichtlinie erweitert, sodass seit diesem Jahr nicht nur anerkannte Flüchtlinge, sondern auch Asylsuchende mit guter Bleibeperspektive beraten werden.

Träger unter Druck

Bei den Jugendmigrationsdiensten ist die Lage ähnlich dramatisch: Sollte ein Berater ursprünglich für 60 Personen zuständig sein, sind es derzeit fast 200. Eine leichte Personalaufstockung zum Jahresbeginn hat nur wenig Entlastung gebracht. Der hohe Verwaltungsaufwand, die nur jährlich gewährte Finanzierung und der zu erbringende Eigenanteil von bis zu 20 Prozent setzen die Träger zusätzlich unter Druck.

Im Jahr 2015 waren über 70 Prozent der Asylerstantragssteller jünger als 30 Jahre alt („Aktuelle Zahlen zu Asyl“, Ausgabe Dezember 2015, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge). Gerade für sie ist es wichtig, dass sie in ihrem neuen Lebensumfeld verlässliche Bezugspersonen in jugendgerechten Maßnahmen finden. Diese Möglichkeiten bieten die Jugendmigrationsdienste seit vielen Jahren. Vielfältige Erfahrung und eine ausgeprägte interkulturelle Kompetenz machen sie zu den idealen Trägern dieser Aufgabe.

„Jugendmigrationsdienste sind in der Lage, schnell die richtigen Angebote zu entwickeln, um den neu Ankommenden die Akklimatisation, das Hineinfinden in die bestehenden gesellschaftlichen Strukturen mit all ihren Werten und Regeln zu erleichtern“, sagt Maria Berghänel, Referentin Migration im Diakonischen Werk Sachsen.

„Es gibt aber lange Wartelisten und einige Träger müssen Hilfesuchende bereits abweisen. In Regionen wie Görlitz oder dem Erzgebirgskreis ist eine Anreise von bis zu 80 Kilometer zur Beratung nötig. So kann Integration nicht gelingen“, kritisiert Hendrik Kreuzberg vom Paritätischen Wohlfahrtsverband und schlägt als ersten Schritt vor: „Mit der Übernahme von Verwaltungskosten könnte der Freistaat wichtige Freiräume für das Personal schaffen, das sich dann wieder mehr auf die Beratung konzentrieren kann.“ Wenn das Land Integration erfolgreich gestalten wolle, dürfe es sich nicht darauf ausruhen, dass die Finanzierung allein beim Bund läge. Auch sei in den Fördermitteln des Bundes keinerlei Finanzierung von Sprachmittlern vorgesehen, sodass eine Verständigung oftmals nur sehr eingeschränkt möglich ist. Einzelne Klienten müssten aufgrund dieser Sprachbarriere bereits abgewiesen werden. Da die Möglichkeit zur gegenseitigen Verständigung in einem Beratungsangebot selbstverständlich sein sollte, bedürfe es hier dringend einer Verbesserung der Situation.

Hintergrund: Sachsenweit gibt es 52 Migrationsfachdienste, die Jugendliche und Erwachsene beraten und begleiten. Die Finanzierung erfolgt über den Bund. Gleichzeitig sind Kommunen und Länder aufgefordert, sich zu beteiligen. Ursprünglich vorgesehene Aufgaben, wie beispielsweise die Vernetzung von Akteuren oder die Beratung von Organisationen und Institutionen vor Ort kann derzeit nicht oder nur in Ansätzen geleistet werden.

Kontakt für Rückfragen:

Maria Berghänel
Diakonisches Werk der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens e.V.
Referentin Migration
Telefon 0351 8315 176
maria.berghaenel@diakonie-sachsen.de

Hendrik Kreuzberg
Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband; LV Sachsen e.V.
Referent Migration
Telefon: 0351-49 166-78
hendrik.kreuzberg@parisax.de