Wohlfahrtsverbände appellieren an den Stadtrat: Sichern Sie die soziale Infrastruktur in Dresden!
Die Stadtliga Dresden drängt auf sichere Finanzierung der Sozialen Arbeit im kommenden Doppelhaushalt: In der Corona-Zeit zeigt sich einmal mehr, wie wichtig die Angebote der Wohlfahrt sind. Die freien Träger leisten mit der Gesamtheit ihrer sozialen Leistungsfelder einen wesentlichen Beitrag für die Gesellschaft. Deshalb würden Kürzungen in den sozialen Bereichen von der Kinder- und Jugendhilfe bis zur Seniorenarbeit gerade jetzt ein vollkommen falsches Signal senden.
Der Dresdner Stadtrat will ab 17.12.2020 den neuen Doppelhaushalt auf den Weg bringen. Kürzungen stehen in nahezu allen sozialen Bereichen an. Während sich in der Kinder- und Jugendarbeit zumindest durch den Jugendhilfeausschuss ein Gremium vornehmlich mit der Mittelverteilung und den Auswirkungen beschäftigen konnte, fehlen in nahezu allen anderen sozialen Leistungsfeldern entsprechende Gremien, die sich in der Breite mit den Konsequenzen beschäftigten.
Im Doppelhaushalt 2021/2022 des Landes heißt es: „…erhalten und stärken wir die Strukturen im Bereich Soziales, Integration und Zusammenhalt.“ Bei der Stadt Dresden ist eine solche Aussage noch nicht zu hören. Ein Augenmerk in der künftigen Ausgestaltung sozialer Leistungen sollte auf den Beratungsdiensten liegen. Gerade sie gewährleisten ein System menschlicher Kontakte in kritischen Lebenssituationen und unterstützen entscheidend den sozialen Frieden in der Stadtgesellschaft. Sie sind ein Grundpfeiler der Stärkung und Kultivierung unserer Demokratie und damit des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Auch schon kleine Einschnitte bei den Beratungsdiensten haben Folgen, nicht nur für die Angebotsstruktur, sondern ganz konkret für den einzelnen Menschen, der Unterstützungsbedarf hat. Laut Landesregierung soll das soziale System stabil bleiben.
„Wir unterstützen alle Verantwortlichen, dass das auch für die Stadt Dresden gelten wird“, sagt Juliana Schneider vom Caritasverband für Dresden e.V. Unsichere Finanzierungen hätten zur Folge, dass weniger Klienten beraten werden können. Die Basisdienste, wie zum Beispiel Seniorenberatung und Migrationssozialarbeit hätten es noch schwerer, in Fachdienste wie Suchtberatung, Schuldner- oder Schwangerschaftsberatung etc. zu vermitteln. Das würde zusätzliche Lücken in die soziale Absicherung der Stadtgesellschaft reißen. „Die menschlichen Entwicklungen durch die Corona Zeit strapazieren diese Systeme zusätzlich. Ziel ist es, das Miteinander in der Stadtgesellschaft demokratisch zu stärken. Insofern dringen wir auf eine Stärkung dieser Dienste. Diese muss sich in einer angemessenen Finanzierung wiederfinden“, so Schneider weiter.
Dresden wird immer älter, Menschen vereinsamen. Jeder fünfte Dresdner ist älter als 65 Jahre. Das sind 122.910 Dresdner, im Jahr 2035 sollen es laut Prognose 132.130 sein (Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen. 7. Regionalisierte Bevölkerungsvorausberechnung für den Freistaat Sachsen bis 2035). Durch Corona schränken sich gerade für Seniorinnen und Senioren Kontakte zu Angehörigen und anderen Menschen ein. Umso wichtiger sind menschliche und professionelle Kontaktangebote in Begegnungs- und Beratungsstellen. Der Stadtrat will im kommenden Doppelhaushalt die Gelder für die Senioren in Dresden auf dem Niveau des Jahres 2020 einfrieren. Inflationsbereinigt und unter Berücksichtigung der Tarifsteigerungen bedeutet das eine Kürzung der Leistungen.
In Dresden betreiben die freien Träger 23 Seniorenbegegnungsstätten, elf davon sind auch Beratungsstellen. Diese Einrichtungen sind abhängig von städtischen Zuweisungen. Die Dresdner Seniorenbegegnungs- und Beratungsstellen sollen laut Haushaltsentwurf allein 2021 mit 300.000 € weniger auskommen, als zur Aufrechterhaltung der gegenwärtigen Angebotsstruktur erforderlich. „Neue Angebote oder Weiterentwicklungen bisheriger Angebote sind damit ganz ausgeschlossen. Kostensteigerungen durch Tariferhöhungen sollen erst auf Antrag und Prüfung gewährt werden“, führt Peter Köhler, Kreisgeschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes in Dresden aus. Die Stadtliga Dresden kritisiert, dass trotz anderslautender Zusagen erneut vor Erstellung der Fördervorlage keine Trägergespräche stattgefunden haben. Im laufenden Antragsverfahren werden Anpassungen der Kosten- und Finanzierungspläne von den Trägern verlangt, was diese in ihren rechtlichen Möglichkeiten einschränkt. Thomas Pallutt, Geschäftsführer der AWO Sachsen Soziale Dienste gemeinnützige GmbH: „Die Unsicherheiten bei den Leistungserbringern sind groß. Die derzeitige Angebotsstruktur muss gerade auch im Hinblick auf die demografische Entwicklung in Dresden sowie die gesellschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie erhalten werden. Dies funktioniert aber nur unter Berücksichtigung der Kostensteigerungen für Personal- und Sachkosten.“
Carsten Schöne, Regionalleiter Stadt Dresden und Landkreis Görlitz, Deutscher PARITÄTISCHER Wohlfahrtsverband LV Sachsen e.V.: „Zum Erhalt der sozialen Infrastruktur in der Stadt Dresden ist eine Weiterfinanzierung aller Angebote des laufenden Jahres zuzüglich der Finanzierung mindestens der Tarifanpassungen erforderlich.“ Schöne hätte sich eine frühere Einbeziehung der Wohlfahrtsverbände gewünscht.
Sven Marschel, Geschäftsführer der Diakonie Dresden: „Die Träger der freien Wohlfahrt, viele Vereine und private Organisationen prägen unsere Gesellschaft nachhaltig, schaffen Angebote im sozialen Bereich, die für uns selbstverständlich geworden sind. Erst bei einer Leistungseinschränkung oder gar dem Wegfall von Angeboten zeigen sich die Auswirkungen. Soweit darf es insbesondere in diesen schwierigen Zeiten nicht kommen. Jedwede Form von Beratungen, Begegnungen und Unterstützungsangeboten ist jetzt mehr denn je gefragt. Viele Träger bringen sich hier schon mit erheblichen Eigenmitteln ein, um Angebote vorhalten zu können. Finanzielle Kürzungen, die mit Leistungseinschränkungen einhergehen, wären ein Einschnitt, der sich in der Gesellschaft mittelfristig erheblich nachteilig auswirken wird. Gerade in diesen Zeiten braucht es ein starkes Bekenntnis und Signal der Politik. Allein die Fortschreibung der Zuweisung aus 2020 inklusive einer tariflichen Personalkostensteigerung in das Folgejahr beinhaltet schon eine Kürzung, da keinerlei Weiterentwicklung stattfinden würde. Für die Bürger der Stadt wäre dies aber eine so wichtige Kontinuität.“
Die Stadtliga Dresden ist ein Zusammenschluss der sechs Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Dresden.
Dazu gehören:
• Caritasverband für Dresden e.V.,
• Deutsches Rotes Kreuz Kreisverband Dresden e.V.,
• Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband LV Sachsen e.V.,
• Diakonisches Werk – Stadtmission Dresden gGmbH,
• Landesverband Sachsen der Jüdischen Gemeinden,
• Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Dresden e.V.
Die Wohlfahrtsverbände setzen sich für die Gestaltung geeigneter sozial- und bildungspolitischer Rahmenbedingungen ein, damit alle Menschen an der Gesellschaft teilhaben können. Zu ihren Aufgaben gehört es, Menschen unabhängig von Alter, Geschlecht, Sozialstatus und Herkunft in ihrer individuellen Entwicklung zu fördern und zu begleiten. Die Wohlfahrtsverbände sind Träger von Beratungsstellen, Kitas, Schulen, Einrichtungen der Jugendhilfe, Alten- und Krankenpflege. Dort arbeiten insgesamt rund 8.600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Dresden.