Wer weder Wohnung noch Mietvertrag hat und sich täglich um eine Schlafmöglichkeit kümmern muss, um sich vor Kälte und Gefahren zu schützen, hat einen Rechtsanspruch auf Hilfe. Auch wenn die Wohnung durch Räumungsklage, durch Kündigung oder Auszug von Partner*in oder Kindern gefährdet ist, müssen von Wohnungslosigkeit bedrohte Personen – wie auch wohnungslose Menschen - nach dem Gesetz (Sozialgesetzbuch XII) Hilfe bekommen. Diese Hilfen sind nicht ausreichend ausgebaut und stehen nicht in angemessen schneller Zeit zur Verfügung. Angesichts der dramatischen Situation auf dem Wohnungsmarkt wird es zudem immer wichtiger, bestehende Mietverhältnisse zu erhalten und drohende Obdachlosigkeit zu verhindern - ein Aufgabenschwerpunkt der Beratungsstellen der Wohnungsnotfallhilfe der Liga. Letztlich kann aber nur ein vernetztes Zusammenwirken von kommunaler Verwaltung, Wohnungswirtschaft, Privatvermieter*innen, Amtsgericht, Gerichtsvollzug, Jobcentern und Beratungsstellen drohende Wohnungslosigkeit vermeiden.

Eine Übersicht der Angebote der Wohnungsnotfallhilfe in Sachsen können Sie hier herunterladen.

Positionen

Zuwanderung, Digitalisierung und das Verantwortungsgefühl junger Menschen für die Gesellschaft sind zu Recht drei große Themen, welche im öffentlichen Diskurs stehen. Dabei wird unisono nicht der Bedarf hinterfragt, sondern wie wir den Herausforderungen gerecht begegnen können. Die Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Sachsen (Liga) blickt mit großer Besorgnis auf die Kürzungsvorhaben bei einer Vielzahl sozialer Angebote im vorgelegten Bundeshaushalt 2024.

Mit der Leistungskürzung um ca. 25 % bei einer Vielzahl von Beratungs- und Selbsthilfeangeboten befürchtet die Liga eine nachhaltige Schwächung des sozialen Zusammenhalts in Sachsen. Die sozialen Leistungen, die von den Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege gerade auch in Krisenzeiten verlässlich erbracht werden, sind für Menschen in sozialen Not- und Ausnahmesituationen von enormer Bedeutung. Die Liga befürchtet, dass die Kürzungen dazu führen, dass Menschen in Not aufgrund fehlender Beratungsstrukturen nicht mehr rechtzeitig Hilfe erhalten. Besonders besorgt sind wir über die drohenden Kürzungen in den Bereichen Migration, Freiwilligendienste und Digitalisierung.

Migration

Ein besonders besorgniserregendes Beispiel ist die geplante Kürzung von rund 30 % im Be-reich der Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte (MBE). Gerade in Zeiten erhöhter Zuwanderung, wie in der aktuellen Situation mit einer großen Zahl von Geflüchteten aus der Ukraine, ist eine qualitativ angemessene Beratung unerlässlich. Im Jahr 2022 wurden die MBE-Einrichtungen unserer Verbände im Freistaat Sachsen mit Bundesmitteln in Höhe von ca. 3 Mio. Euro gefördert, wodurch ca. 13.800 Beratungen durchgeführt werden konnten.

Angesichts des gerade verabschiedeten Fachkräfteeinwanderungsgesetzes und des mit den Wohlfahrtsverbänden geschlossenen Paktes zur Gewinnung internationaler Fach- und Ar-beitskräfte für Sachsen erscheinen uns diese unterschiedlichen politischen Entwicklungen sehr paradox. Gerade für den Wirtschaftsstandort Sachsen ist es von besonderer Bedeutung, dass internationale Arbeits- und Fachkräfte willkommen geheißen werden und das gesell-schaftliche und politische Klima ein Ankommen und Bleiben ermöglicht. In diesem Zusammen-hang leisten unsere Beratungsangebote - insbesondere die MBE - einen wichtigen Beitrag.
Es wäre äußerst problematisch, die Länder oder Kommunen mit dem Aufbau von Ersatzbera-tungsstrukturen und zusätzlichen Kosten zu belasten. Die Kürzungen der Bundesmittel könn-ten aufgrund fehlender finanzieller Mittel auf Landes- und kommunaler Ebene dazu führen, dass insbesondere in strukturschwachen Regionen Menschen nur eingeschränkt beraten und ihre Fragen zur Integration nicht adäquat beantwortet werden können.
Ein ähnliches Bild sehen wir bei der Asylverfahrensberatung (AVB). Für das Jahr 2023 war eine Förderung von 20 Mio. Euro vorgesehen (sachsenweit haben die bei uns organisierten Verbände ca. 624.000 Euro Förderung beantragt). Die angekündigte Aufstockung der Mittel auf das Doppelte soll nun nicht erfolgen. Da das Bundesprogramm erst Mitte 2023 anläuft,

bedeutet die Beibehaltung der gleichen Mittel für ein ganzes Jahr eine faktische Kürzung der Beratungskapazitäten um 50 %. Die AVB trägt in tausenden Fällen zur Rechtsstaatlichkeit des Asylverfahrens und zur Akzeptanz von Behördenentscheidungen bei. Wir erwarten daher mas-sive Schwierigkeiten, dieses Programm in Sachsen weiter etablieren zu können.
Ebenso kritisch sehen wir die geplante Kürzung von rund 9,7 Mio. Euro im Entwurf für den Bundeshaushalt 2024 für die Psychosozialen Zentren für Geflüchtete (PSZ). Dies hätte mas-sive Einschränkungen in der therapeutischen Arbeit zur Folge, was verheerende Auswirkun-gen für Menschen mit massivem Hilfebedarf bedeutet. Die PSZ haben sich in Sachsen erfolg-reich etabliert und leisten eine unverzichtbare Arbeit bei der Versorgung und Unterstützung von Betroffenen in psychischen Belastungssituationen. Die zusätzlichen Bundesfördermittel von 437.000 EUR im Jahr 2023 ermöglichten den Ausbau und die Weiterentwicklung thera-peutischer Angebote und Behandlungsstellen in den drei Zentren. Eine Reduzierung der PSZ-Bundesmittel um mehr als 50 % würde zu einer starken Einschränkung der notwendigen the-rapeutischen Begleitung führen.

Freiwilligendienste

Im Bereich der Freiwilligendienste sollen die Mittel ebenfalls massiv gekürzt werden. Über alle Formate hinweg ist eine Kürzung um 78 Mio. Euro geplant - das entspricht insgesamt 23,7 % der Bundesmittel für dieses wertvolle Lern- und Orientierungsjahr. Freiwilligendienste sind als Orientierungsjahr in sozialen Diensten auch ein wichtiger Beitrag, um junge Menschen für ei-nen Beruf in den sozialen Diensten zu gewinnen und damit der Sicherung von Pflege, Erzie-hung und Betreuung. Die geplanten Kürzungen hätten unmittelbar zur Folge, dass bundesweit jeder vierte Freiwilligenplatz wegfallen würde - und damit rund 30.000 Freiwillige ihren wichti-gen Beitrag nicht mehr leisten könnten. Paradox erscheint auch, dass immer wieder Diskussi-onen über einen Pflichtdienst oder Gesellschaftsjahr aufkommen, während die bestehenden Freiwilligenprogramme unter Druck geraten. Für den Bundeshaushalt ist ein ausgeweiteter und attraktiver Freiwilligendienst günstiger als ein Pflichtprogramm. Die vorhandenen Poten-ziale der Freiwilligendienste sollten besser genutzt und dieser Bereich gestärkt werden.

Digitalisierung im Bereich der Freien Wohlfahrtspflege

Nicht minder bedeutsam ist die Einsparung von 3,5 Mio. Euro im Bereich der Digitalisierung in der Freien Wohlfahrtspflege. Dieses Förderprogramm des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Zukunftssicherung durch Digitalisierung würde damit kom-plett aus den strategischen Entwicklungen der Verbände herausgerissen. Diese beispiellosen Maßnahmen treffen die Verbände mitten im Aufbruch und behindern wesentliche Fortschritte in der Digitalisierung.


Zur Liga der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Sachsen gehören der Landesverband der Arbeiterwohlfahrt in Sachsen, der Caritasverband für das Bistum Dresden-Meißen, der Caritasverband für die Diözese Görlitz, das Diakonische Werk Sachsen, der Deutsche Rote Kreuz Landesverband Sachsen, der Paritätische Wohlfahrtsverband Sachsen und der Landesverband der jüdischen Gemeinden in Sachsen.

Unter ihrem Dach findet sich mehr als die Hälfte aller sozialen Angebote in Sachsen. Mehr als 100.000 Beschäftigte sind dort tätig. Der Liga-Vorsitz wechselt alle zwei Jahre und liegt 2022/23 in der Hand des Deutschen Roten Kreuzes.